Klebe_100, Festival zum 100. Geburtstag von Giselher Klebe in Detmold, vom 24.10. bis zum 14.12.2025

künstlerische Leitung Christian Köhn

Vor 100 Jahren, am 28. Juni 1925 wurde in Mannheim Giselher Klebe geboren. Er war einer der national und international erfolgreichsten Komponisten seiner Generation; noch in den 70er Jahren wurden seine Opern im In- und Ausland häufiger inszeniert und aufgeführt als z. B. die seines Zeitgenossen Hans Werner Henze.

Giselher Klebe starb am 5. Oktober 2009, und seither sind er und seine Kompositionen aus dem Bewusstsein der Musikwelt weitgehend verschwunden. Die bislang letzte Opernproduktion „Der jüngste Tag“ am Landestheater Detmold fiel 2020 nach wenigen Aufführungen der Corona-Pandemie zum Opfer, von seinem Gesamtwerk sind lediglich die Kompositionen für Klavier bzw. Klavierduo und für Violine auf insgesamt drei CDs verfügbar, daneben ein paar wenige Kammermusikstücke für Kontrabass solo oder für Horn und Klavier. Dem steht ein Gesamtwerk von mehr als 140 Kompositionen gegenüber, das zwar fast vollständig in sehr guten Ausgaben (das Frühwerk bei Bote & Bock, danach Bärenreiter) zugänglich ist, aber was man nicht hören kann, wird nicht gespielt, und was nicht gespielt wird, kann man nicht hören…

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen und Klebes Musik, mit der ich mich seit fast 40 Jahren intensiv auseinandergesetzt habe, wieder ins Bewusstsein von Musikern und Hörern zu rücken, habe ich vor gut zwei Jahren begonnen, an der Hochschule für Musik Detmold, wo er mehr als 30 Jahre lehrte, aus Anlass seines bevorstehenden 100. Geburtstages ein Festival zu planen, dass einen breiten Querschnitt aus seinem Gesamtwerk beinhalten wird.

Die intensive Beschäftigung mit seiner Musik, darunter die Mitwirkung bei mehr als zehn Uraufführungen, haben mein musikalisches Leben bereichert und geprägt, die Freundschaft zu ihm war eines der großen, unverdienten Geschenke meines Lebens. Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass ich mir mein Musikerleiben ohne ihn und seine Musik nicht vorstellen kann.

Als ich deshalb 2023 die ersten Anfragen an meine Kolleginnen und Kollegen an der Hochschule stellte, war es mir eine große Freude, dass fast alle von ihnen nach dem ersten Anhören bzw. Lesen von ein paar Stücken mir überrascht antworteten, welche Qualität diese ihnen zuvor fast immer unbekannte Musik habe, und mir sofort ihre Beteiligung zusagten. Die Liste der am Festival Mitwirkenden umfasst inzwischen – ohne die beiden beteiligten Orchester – mehr als fünfzig Personen. Sie alle haben zusagt, obwohl die allermeisten von ihnen die Werke neu einstudieren müssen. Hinzu kommt ein wunderbares Engagement der Musikwissenschaftler der Hochschule bzw. der Universität Paderborn, die nicht nur eine Ausstellung über Klebe konzipieren, das Programmbuch gestalten und die Konzerteinführungen geben werden, sondern auch ein Symposium mit Gastvorträgen und Diskussionen durchführen werden und schon jetzt die Wiederbelebung einer „Klebe-Forschung“ ins Auge gefasst haben. Nicht zuletzt wird das ganze Projekt organisatorisch und auch finanziell vom Rektorat der Hochschule unterstützt.

Das Festival beginnt mit der Studienjahreseröffnung am 24. Oktober im Konzerthaus Detmold, bei der Daniel Steppeler als Solist mit einem Ensemble unter der Leitung von Florian Ludwig die „Soirée für Posaune und Kammerensemble“ spielen wird. Gleichzeitig wird im Foyer des Konzerthauses die Klebe-Ausstellung eröffnet, die wunderbare Exponate zeigen wird: neben Autographen, Fotos, Briefen usw. z.B. auch eine handschriftliche Gratulation von Igor Strawinsky an Klebe, außerdem Zeichnungen und Bilder, die Klebe in seiner Jugend angefertigt hat, als er noch unentschieden war, Maler oder Komponist zu werden (seine älteste Tochter Sonja ist dann Malerin geworden, und er selbst hat sich in Kompositionen immer wieder von Werken der Bildenden Kunst inspirieren lassen). Am nächsten Tag findet unter meiner Leitung eine Gesprächsrunde mit Angehörigen und ehemaligen Freunden des Komponisten statt, bei der wir vor allem an den Menschen Giselher Klebe erinnern wollen; zur Einrahmung wird es zwei live gespielte Musikbeiträge geben. Am 29. Oktober spielt die Nordwestdeutsche Philharmonie Herford unter der Leitung von Dirigierstudierenden der Hochschule zwei Klebe-Werke, außerdem die Paganini-Variationen seines Lehrers Boris Blacher, eine Symphonie seines großen Vorbilds Haydn und eine Uraufführung von Uliana Saulina. Es folgt am 11. November ein Konzert des Detmolder Kammerorchesters unter der Leitung von Daniel Stabrawa (langjähriger erster Konzertmeister der Berliner Philharmoniker). Eckhard Fischer und ich spielen als Solisten das Poéma lirico für Violine, Klavier und Streichorchester. Drei Tage später findet unter dem Titel „Kunst kommt von Verantworten. Giselher Klebe als Komponist – ein Rückblick“ das genannte Symposium statt, bevor dann am 15. Und 16. November das zentrale Konzertwochenende mit drei Konzerten folgen wird: Samstagabend das Programm „Instrumentale Kammermusik“, Sonntagvormittag „Klavier und Orgel“ und Sonntag am frühen Abend „Vokale Kammermusik und Lied“. Eine Woche später, also am 23. November folgt eine gekürzte und halbszenische Aufführung der Oper „Das Mädchen aus Domrémy“ durch unsere Opernschule. Den Abschluss bildet am 14. Dezember ein Konzert des Ensemble Earquake, u.a. mit einem Stück für Rockband, einem Tango mit Mundharmonika und der posthumen Uraufführung zweier kleiner Stücke für Flöte solo.

Bei so viel erfolgreicher Planung gab es naturgemäß auch ein paar gescheiterte Ideen: Ich war in Gesprächen mit dem Label Audite über eine CD-Edition der Rundfunkmitschnitte bzw. Produktionen von Klebes Opern, was sich aber letzten Endes wegen Urheberrechtsproblemen nicht realisieren ließ. Immerhin weiß ich jetzt dank der Recherche von Ludger Böckenhoff (Audite), dass in den Rundfunkarchiven hunderte Schätze an Klebe-Aufnahmen lagern (neben den genannten Opern auch solche Kostbarkeiten wie das Cellokonzert mit Wolfgang Boettcher und den Berliner Philharmonikern unter Daniel Barenboim), aber es ist praktisch unmöglich, diese zu heben und öffentlich zugänglich zu machen. Ebenfalls gescheitert sind alle Versuche, die Stadt Detmold, die Klebe noch 2002 zum Ehrenbürger ernannt hatte, zu einer wie auch immer gearteten Beteiligung am Festival oder einer sonstigen Ehrung ihres Ehrenbürgers zu bewegen. Die Akademie der Künste in Berlin, deren Präsident Klebe von 1986 bis 1989 als Nachfolger von Günter Grass und Vorgänger von Walter Jens war, brauchte ganze sechs Minuten, um meine Anfrage sehr harsch zurückzuweisen… Positiv ist immerhin, dass das Archiv der Akademie inzwischen den größten Teil von Klebes Nachlass (darunter auch das von mir per Schenkung überlassene Autograph seiner berühmtesten Komposition „Die Zwitschermaschine“ nach Paul Klee) verwaltet und auch die unveröffentlichten Frühwerke auf seiner Website erfasst hat. Die angedachte Vervollständigung und Digitalisierung des Klebe-Werkverzeichnisses von Michael Rentzsch (ISBN 3761812477) ist hingegen zumindest vorerst leider nicht finanzierbar.

Trotz dieser und ein paar weiterer Rückschläge wird es ein schönes, vielfältiges Festival geben, mit Werken aus allen Schaffensphasen, verschiedenster Besetzungen und großer stilistischer Bandbreite, gespielt bzw. gesungen von wunderbaren Musikern. Ich hoffe, dass es dazu beiträgt, diese dichte, ausdrucksstarke, plastische und vielfältige Musik auch über den unmittelbaren Anlass hinaus wieder mehr zu spielen bzw. zu hören. Es würde sich lohnen.

Alle Konzerte finden im Konzerthaus der HfM Detmold statt, nur das Konzert des Ensemble Earquake im Audienzsaal der Hochschule. Der Eintritt zu allen Konzerten ist frei.

Christian Köhn

Klebe_100, Projekt zum 100. Geburtstag von Giselher Klebe an der Hochschule für Musik Detmold

Programm Detmolder Kammerorchester

11.11.2025, 19.30 Uhr, Konzerthaus Detmold

Das Detmolder Kammerorchester wurde vor 70 Jahren von dem Geiger Tibor Varga gegründet. Es besteht überwiegend aus ausgewählten Studierenden der Hochschule für Musik Detmold, ist aber organisatorisch und finanziell eigenständig. In der Vergangenheit hat es sich, vor allem unter der künstlerischen Leitung von Eckhard Fischer, um die Musik Giselher Klebes sehr verdient gemacht und unter anderem mehrere Uraufführungen gespielt. An diese Tradition anknüpfend wird das Orchester bei diesem Konzert unter dem derzeitigen künstlerischen Leiter Daniel Stabrawa Klebes „Poéma lirico per violino e pianoforte con orchestra d’archi op. 136“ spielen, mit den Solisten Eckhard Fischer und Christian Köhn. Klebe hatte nach dem Tod seiner Frau Lore den Gedanken, mit dem Komponieren ganz aufzuhören. Über diese dunkle Zeit halfen ihm gute Freunde hinweg (denen er später in der Widmung der „Fantasia Incisiana“ für Violine und Klavier dafür dankte). Das Poéma lirico ist die tief bewegende künstlerische Verarbeitung seiner Trauer. Brigitte Schäfer-Schwartze nennt es „ein Dokument der Unfassbarkeit des Todes eines geliebten Menschen“.

Dass Daniel Stabrawa das Konzert mit Johann Sebastian Bachs drittem Brandenburgischen Konzert eröffnet, wirkt auf den ersten Blick überraschend, erklärt sich aber vor allem aus der Gestaltung des Mittelsatzes, der hier in Form eines „Adagio als „Mosaik“. Zwischenspiel für 10 Streicher“ von Klebes Schüler Martin Christoph Redel gespielt wird. Georg Friedrich Händels Concerto grosso B-Dur op. 6/7 HWV 325 stellt die formale und Rudolf Barschais Kammerorchester-Bearbeitung von Schostakowitschs 8. Streichquartett die inhaltliche Verbindung zur Trauermusik des „Poéma lirico“ dar.

Es ist geplant, dass Daniel Stabrawa in einem späteren Konzert außerhalb des Festivals noch selbst Klebes Violinkonzert „Mignon“ spielen wird.

Christian Köhn

Klebe_100, Projekt zum 100. Geburtstag von Giselher Klebe an der Hochschule für Musik Detmold

Programm Orchestermusik

29.10.2025, 19.30 Uhr, Konzerthaus Detmold

Die Nordwestdeutsche Philharmonie Herford wird bei diesem Konzert unter der Leitung von vier Studierenden aus der Dirigierklasse von Prof. Florian Ludwig spielen.

Das Notturno op. 97 schrieb Giselher Klebe 1987, die Uraufführung spielten am 30. Januar 1988 im Rahmen der Salzburger Mozartwoche die Wiener Philharmoniker unter Leopold Hager. Klebe beschrieb das Stück in einem Werkkommentar als „ruhige Nachtmusik in einem Satz, [die sich] in drei Teile [gliedert].“ Die Intervallsymmetrie des Streicherakkords zu Beginn (von unten nach oben gis-e-g-d-f-cis, also oben und unten jeweils kleine Sext und kleine Terz) ist für Klebe typisch und markiert in sich die Pole Atonalität und Tonalität, zwischen denen sich die Komposition bewegt. Das folgende zentrale melodische Motiv aus Oktav und Tritonus (a1, a2, es2) verwendete Klebe später auch in dem Klavierzyklus „Widmungen“ op. 115. Interessant ist noch die Formulierung von Klebes künstlerischem Credo in dem besagten Werkkommentar: „Seitdem ich vor 30 Jahren begann, mir aus der tonalen Chromatik der Zwölfton-Kompositionsidee heraus eine eigene Klangsprache zu entwickeln, bin ich von dem ständigen Wunsch geleitet worden, die Geste und die Sprache meiner Musik immer einfacher und klarer zu gestalten, um damit sich steigernde Intensität des Ausdrucks zu erreichen. Ich bin tief davon überzeugt, daß jeder Künstler die Mittel seiner Sprache so auf seine individuelle Ausdruckskraft konzentrieren muß, um dem (…) Zuhörer die Möglichkeit zu geben, die jeweilige Mitteilung erleben zu können. (…) Mir erscheint jede Expansion als Zeichen einer Ohnmacht, jede Massierung der Mittel ein Zeichen des Vertrauensverlustes in die eigene Aufgabe. Meine ganze Leidenschaft gilt dem Streben nach Klarheit.“

Die viersätzige 7. Symphonie schrieb Klebe 2002 nach dem Tod seiner Frau Lore, die (zunächst ungenannte, später offizielle) Librettistin aller seiner bis dahin entstandenen Opern gewesen war. Dem dunklen, dramatisch zugespitzten und im zweiten Satz stellenweise grotesken Tonfall steht eine „klassische Proportionalität und Formgebung wie auch die Plastizität und Konzisität der Themenbildung“ (Brigitte Schäfer-Schwartze) gegenüber, die an das Werk des Widmungsträgers Joseph Haydn erinnert, aus dessen Namen das thematische Material entwickelt ist. Die Uraufführung spielten 2003 das Orchester des Nationaltheaters Mannheim unter Friedemann Layer.

Das Konzert wird eröffnet durch die Paganini-Variationen von Giselher Klebes Lehrer Boris Blacher, vor der Pause erklingt Joseph Haydns Symphonie Nr. 70, D-Dur, nach der Pause folgt die Uraufführung eines Stückes der Komponistin Ulyana Saulina, inspiriert von Giselher Klebes Musik. 

Klebe_100, Projekt zum 100. Geburtstag von Giselher Klebe an der Hochschule für Musik Detmold

Instrumentale Kammermusik

15.11.2025, 19.30 Uhr, Konzerthaus Detmold

Bei diesem Konzert steht ein Querschnitt durch Giselher Klebes umfangreiche und vielfältige instrumentale Kammermusik auf dem Programm. Die stilistische Bandbreite erstreckt sich dabei von den seriell geprägten früheren Werken op. 14 und op. 22 bis zur dramatischen Unmittelbarkeit von op. 84. Dazwischen liegt mit der „Veränderung“ von Beethovens Mondscheinsonate op. 27 Nr. 2 zur Sonate für Horn und Klavier Klebes (meines Wissens einzige) Bearbeitung eines vollständigen vorgegebenen Werkes.

Das Programm beginnt mit der ersten Sonate für Violine und Klavier op. 14 aus dem Jahr 1952, gespielt von Eckhard Fischer und Christian Köhn. Die Sonate besteht aus drei kurzen, ineinander übergehenden Sätzen und ist von einer zarten, lyrischen Schönheit. Die Dynamik bewegt sich (wie schon bei dem zuvor entstandenen Klavierzyklus „Wiegenlieder für Christinchen“ op. 13) fast ausschließlich vom dreifachen ppp bis zum mf, die zarten Kantilenen der Geige im letzten Satz liegen im obersten Register. Die streng zwölftönig organisierten Motivgruppen des Anfangs erfahren eine zunächst zögerliche, dann gefestigte Entwicklung und Verwandlung, die in den ausdrucksvollen Kantilenen des letzten Satzes ihr Ziel findet.

Es folgt „Der dunkle Gedanke“ für Klarinette alternierend mit Bassetthorn und Klavier op. 84, gespielt von Thomas Lindhorst und Christian Köhn. Die drei Sätze mit den Überschriften „Zorn“, „Trauer“ und „Dunkler Gesang“ schrieb Klebe 1979, die Uraufführung spielten Hans Dietrich Klaus und Michael Wessel-Terhorn ein Jahr später. Klebes Werkkommentar aus dem Programmheft der Uraufführung ist unverändert aktuell:
„„Der dunkle Gedanke“ (…) ist die musikalische Manifestation einer umfassenden und tiefen Enttäuschung. Sie begann mit der Erkenntnis zu reifen, daß der Mensch aus der Geschichte nicht zu lernen bereit ist. Die harte Wirklichkeit, daß große Teile des deutschen Volkes die bitteren Wahrheiten unserer Geschichte von 1933 – 1945 zu verdrängen und zu verleugnen suchen (…) kulminierte für mich zu einem umfassenden dunklen Gedankenbereich. Der ernste Wunsch, daß diese Komposition zu Einkehr und Nachdenken beitragen möge, ist Leitgedanke beim Komponieren gewesen.“

Die Musiksprache in diesem Werk ist einfach, direkt und ungeschönt. Am Schluss bleibt die Klarinette nach dem „dunklen Gesang“ auf einem einzigen, immer wieder wiederholten, klagenden Halbtonschritt quasi stehen, untermauert von absteigenden Klavierakkorden und heftigen Ausbrüchen, eine Stelle, die mich jedes Mal tief bewegt.

Die Umarbeitung von Beethovens „Mondscheinsonate“ zur Sonate für Horn und Klavier op. 96 aus dem Jahre 1986 ist nach Klebes Worten als „Zeichen der Verehrung, eine Hommage à Beethoven“ zu verstehen, einer Verehrung, die im Laufe seines Lebens nicht immer ungebrochen war (wie übrigens auch die zu Bach), und die, wie er mir selbst erzählte, erst mit der Arbeit an diesem Werk wieder stabil wurde. Obwohl seine Umarbeitung alle musikalischen Parameter Melodie, Rhythmus, Metrum, Harmonie, Form und Klang umfasst, ist das Original jederzeit präsent und steht in einem ausdrucksstarken, oft überraschenden Spannungsverhältnis zur Neuform. Dieses Werk gehört zu den wenigen, die man auch auf CD hören kann: Vor wenigen Jahren haben Přemysl Vojta und Tobias Koch es sehr schön eingespielt. Bei unserem Konzert wird es von Anton Koch (nicht verwandt oder verschwägert mit Tobias) und dem Beethoven-Spezialisten Alfredo Perl gespielt.

Die Harfe war eines von Giselher Klebes Lieblingsinstrumenten, er setzte außer im Orchester bei diversen Kammermusikstücken und vor allem als Soloinstrument bei seinem Harfenkonzert op. 96 ein, erhielt u.a. den Kompositionspreis des Welt-Harfen-Kongresses in Kerkrade (Holland) 1978 und war Ehrenmitglied des Weltharfenzentrums Rockville. Bei unserem Konzert spielt Godelieve Schrama „Alborada“ op. 77 für Harfe solo.  

Eine vollkommen andere und ungewöhnliche „Kammermusikbesetzung“ folgt mit den Variationen über ein Thema von Berlioz für Orgel und drei Schlagzeuger, op. 59. Friedhelm Flamme und Schlagzeuger von „HfM Percussion“ (Leitung Peter Prommel) spielen das Werk aus dem Jahre 1970. Das Thema ist die Hirtenszene (dritter Satz) aus Berlioz‘ Symphonie fantastique, ein Komponist, den Klebe sehr schätzte und dessen Instrumentationslehre „Grand Traité d’instrumentation et d’orchestration modernes“ er quasi auswendig kannte.

Eine der anspruchvollsten Aufgaben des Festivals haben danach Eckhard Fischer (Violine), Alexander Gebert (Violoncello) und Rinko Hama mit dem komplexen Klavertrio „Elegia appassionata“ op. 22. Der seriellen Organisation von Intervallen, Rhythmus, Dynamik und Klangfarben steht eine unmittelbar erfahrbare, breite Ausdrucksskala von „leidenschaftlichen und zärtlichen Empfindungen“ (Klebe) gegenüber. Dieses Maß an serieller Organisation hat Klebe danach nicht mehr angestrebt bzw. verwirklicht, weshalb dieses Werk im Gesamtprogramm einen wichtigen Meilenstein darstellt.

Mit den vier Bagatellen für Bassetthorn, Posaune, Harfe und Röhrenglocken, op. 35 klingt das Konzert eher gelöst und spielerisch aus.  Das Stück entstand 1960 und wird bei uns gespielt von Aloisa Hurt (Bassetthorn), Kevin Klein (Posaune), Godelieve Schrama (Harfe) und HfM Percussion (Röhrenglocken).

Christian Köhn

Klebe_100, Projekt zum 100. Geburtstag von Giselher Klebe an der Hochschule für Musik Detmold

Programm Tasteninstrumente

16.11.2025, 11.30 Uhr, Konzerthaus Detmold

Das Klavierwerk zieht sich durch alle Phasen von Giselher Klebes Gesamtwerk, angefangen von der Sonate für zwei Klaviere op. 4 bis zu „Thema und 39 Variationen“ op. 142 für Klavier solo. Es ist der einzige Werkkomplex, der fast vollständig auf zwei CDs verfügbar ist (die bereits aufgenommenen drei Romanzen op. 43 passten lediglich nicht mehr auf die CD und sind hier kostenlos hörbar bzw. downloadbar).

Das Programm des Konzerts wird eingerahmt von zwei Stücken für Klavierduo: Der besagten Sonate für zwei Klaviere zu Beginn und „Glockentürme“ op. 103 für Klavier zu vier Hände am Ende des Konzerts, beides gespielt vom Klavierduo Silke-Thora Matthies/Christian Köhn. Die Sonate aus dem Jahr 1949 besteht aus zwei Sätzen, von denen der zweite seinerseits zwei kontrastierende Abschnitte in der Form ABA‘ gegeneinandersetzt. Der Tonfall des ersten Satzes ist spielerisch, tänzerisch und leicht, mit Anklängen an Unterhaltungsmusik und Jazz, die Harmonik schwebt schon bei diesem frühen Werk Klebe-typisch zwischen der Tonalität terzengeschichteter Akkorde und chromatischen Skalen bzw. Zwölftonreihen. Die ruhige Melodie des zweiten Satzes wird urplötzlich von einem wilden Zwölfton-Boogie-Woogie unterbrochen, woraufhin ebenso unvermittelt der variierte A-Teil wiederkehrt und leise ausklingt.

Die „Glockentürme“ op. 103 waren 1990 ursprünglich als heiteres „Carillon“ geplant. Während der Komposition erhielt Klebe die Nachricht vom Tod seines lebenslangen Freundes Luigi Nono. Tief erschüttert wandelte er Form und Ausdruck des bereits begonnenen Stückes zu einer drastischen Klage um den verstorbenen Freund. In seinem Werkkommentar betont Klebe, dass Struktur und Inhalt des einsätzigen Stückes „ohne Erklärung erfaßt“ werden können.  

Die „Wiegenlieder für Christinchen“ op. 13 sind Klebes frühester veröffentlichter Klavierzyklus. In ihnen setzt er sich mit der Technik der variablen Metren seines Lehrers Boris Blacher auseinander und verbindet sie mit der Dodekaphonie. Die neun Stücke basieren auf einer gemeinsamen Allintervallreihe und sind in Brückenform angeordnet: 1 korrespondiert mit 9, 2 mit 8 usw. In späteren Jahren spottete Klebe selbst über diese Konstruktion und meinte „Wer weiß denn schon beim neunten Stück noch, wie das erste war?“. Als ich ihn nach dem vorangestellten Satz „Die Metronomzahlen sind streng verbindlich!“ fragte, schaute er kopfschüttelnd in die Noten und sagte „So einen Quatsch schreibt man nur, wenn man jung ist“. Die überwiegend zarten „Lieder“ (die Dynamik geht nie über mf hinaus) sind extrem vielfältig und reichen in ihrem Ausdruck von innigem Gesang bis zu fröhlichem Spiel. Zu hören sind sie hier von Elena Margolina-Hait.

Jacob Leuschner wird anschließend die drei lyrischen „Romanzen“ op. 43 spielen (siehe oben). Sie sind ein typisches Beispiel für den mittleren Klebe, bei dem der Ausdruck oft verhalten, noch ohne die zugespitzte Dramatik der späteren Werke wie z.B. der „Glockentürme“ war, bei denen aber fein abgestimmte Harmonien, Klangfarben und Melodien für eine breite Ausdrucksskala sorgen.

Klebes Orgelwerk wird in diesem Konzert durch die Passacaglia op. 56 vertreten, gespielt von Friedhelm Flamme. Das Stück entstand 1968 zur Einweihung der Orgel im „Konzertsaal der Nordwestdeutschen Musikakademie“, heute „Konzerthaus Detmold“, also für eben das Instrument auf dem es jetzt wieder erklingen wird. Klebe schrieb in seinem Werkkommentar: „Drei Teile gliedern die Passcaglia op. 56; eine Einleitung, die zum Thema hinführt, ohne es zu intonieren, der Hauptteil mit einer Zwölftonreiche als Basismodell der Variationen und ein Epilog, der die gewonnenen Gestalten gleichsam harmonisch einschmilzt. Die Variationen des Hauptteils gliedern sich in drei espressivo-Abschnitte, die jeweils nach forte-Aufschwüngen ins piano und pianissimo übergehen.“

Es folgt der Klavierzyklus „Zornige Lieder ohne Worte“ op. 118 von 1995, der im Gegensatz zu den „Wiegenliedern“ und den Romanzen von harten Kontrasten, dramatischem Zugriff bei bewusst reduzierten Mitteln geprägt ist. Klebes Streben nach Einfachheit und Klarheit lässt den Ausdruck umso persönlicher und schmerzvoller hervortreten. Die Titel der fünf Stücke lauten „Zorn“, „Verlassenheit“, „Trauer“, „Aufbegehren“ und „Kassiber“. Es spielt Alfredo Perl.

Mit den „Glockentürmen“ (siehe oben) endet das Konzert.

Christian Köhn

Klebe_100, Projekt zum 100. Geburtstag von Giselher Klebe an der Hochschule für Musik Detmold

Programm Vokale Kammermusik und Lied

16.11.2025, 18.00 Uhr, Konzerthaus Detmold

Das letzte Konzert des zentralen Veranstaltungswochenendes ist Giselher Klebes vokaler Kammermusik und seinen Liedern gewidmet. Das Programm wurde überwiegend von Manuel Lange gestaltet, der auch den Klavierpart übernehmen wird. Zusammen mit Yijae Kim wird er die drei Lieder nach Texten von Friedrich Hölderlin op. 74 für hohe Singstimme und Klavier vortragen: „Geh unter, schöne Sonne“, „Hälfte des Lebens“ und „Die Linien des Lebens“. Der Zyklus entstand 1975/76 und wurde von Werner Compes und Emmy Neuhold in Hannover uraufgeführt.

Eine lebenslange Freundschaft und vielfache künstlerische Zusammenarbeit verband Klebe mit Peter Härtling, der sich in den 80er Jahren dem Protest gegen den Bau der Startbahn West des Frankfurter Flughafens anschloss und dabei auch das Gedicht „Der Flörsheimer Wald“ schrieb. Giselher Klebe, der in seiner humanistischen Grundhaltung keinen Unterschied zwischen dem Schutz der Umwelt und der Menschen machte, die in ihr leben, vertonte 1997 dieses Gedicht in seinem op. 125a für Tenor und Orgel und in einer alternativen Fassung (op. 125) für mittlere Stimme und Klavier. Bei unserem Konzert wird der Bariton Klemens Sander von Manuel Lange am Klavier begleitet.

Giselher Klebe hatte Zeit seines Lebens eine besondere Affinität zu Italien. Seine beiden Stipendien-Aufenthalte in der Villa Massimo, sein großes kompositorisches Vorbild Giuseppe Verdi, seine Liebe zur Malerei und Bildhauerei, aber auch die italienische Küche und Lebensart, all das inspirierte ihn in seiner Kunst und veranlasste ihn zu vielen Reisen (die „Fantasia Incisiana“ op. 137 für Violine und Klavier trägt ihren Titel von dem kleinen Ort Incisa Scappacino im Piemont, wo sie in großen Teilen entstand). In seinem Nachlass befand sich noch „Roma-Città eterna op. 138, Duetto con un poèma di Marie Luise Kaschnitz per Mezzo-Soprano e Contr’alto con Pianoforte“ („Königlich, Rom, hast du mich immer empfangen“), das bisher weder verlegt noch uraufgeführt wurde. Die posthume Uraufführung findet bei diesem Konzert statt, es singen Gerhild Romberger, Alt, und ihre Tochter Sarah Romberger, Mezzosopran, begleitet werden sie von Manuel Lange.

Den Abschluss des Konzerts bildet eine Aufführung des Lamentos „Mir träumte, ich müßte Abschied nehmen“ op. 127 für Gesang und sieben Instrumente, nach einem Gedicht von Günter Grass aus dem Roman „Die Rättin“. Grass und Klebe hatten sich damals im Streit über die Nicht-Einladung von Salman Rushdie zur Akademie der Künste entzweit, blieben aber künstlerisch verbunden. Das Lamento ist für mich eines der bewegendsten Stücke aus Klebes späteren Jahren, von einzigartiger Ausdruckstiefe und mit einem besonders ergreifenden Schluss. Gerhild Romberger wird singen und das hochkarätige Ensemble leiten, das aus Maria-Elisabeth Lott (Violine), Antonia Mütze (Viola), Alexander Gebert (Violoncello), Janos Balint (Flöte), Thomas Lindhorst (Klarinette), Godelieve Schrama (Harfe) und Florian Köhn (Schlagzeug) bestehen wird.

Klebe_100, Projekt zum 100. Geburtstag von Giselher Klebe an der Hochschule für Musik Detmold

Ensemble Earquake

14.12.2025, 18 Uhr, Audienzsaal der Hochschule für Musik Detmold

Das Ensemble Earquake ist ein studentisches Ensemble für Neue und experimentelle Musik an der Hochschule für Musik Detmold. Die Besetzung formiert sich um langfristige Mitglieder herum jedes Semester neu, so dass unterschiedliche Programme möglich sind, von Kammermusik bis zum großen Ensemble. Es steht derzeit unter der künstlerischen Leitung von Merve Kazokoğlu, die auch dieses Programm zum Klebe-Festival konzipiert hat. Dafür hat sie einige Stücke ausgewählt, die stilistisch oder in Bezug auf die Besetzung aus dem üblichen „klassischen“ Rahmen fallen, außerdem wird die posthume Uraufführung zweier Stücke für Flöte solo erfolgen.

Das Konzert beginnt mit dem Gratulations-Tango op. 40a (1963) für Alt-Saxophon, Trompete, Cembalo und Harmonium, den Klebe zum 60. Geburtstag seines Lehrers Boris Blacher komponierte, und den das Ensemble Earquake hier zum Geburtstagsgruß für den Komponisten umfunktioniert.

Es folgt „Al Rovescio“ op. 67 für für Flöte, Harfe und Klavier und Metallidiophone, das 1973 als Kompositionsauftrag der Copernicus-Stiftung zum 500. Geburtstag ihres Namensgebers entstand. Klebe schreibt zu dem Stück: „Al Rovescio ist eine vor 500 Jahren in Blüte stehende und seither in allen Kompositionsstilen wirksam gewesene Kompositionstechnik, die die von einem bestimmten Zeitpunkt eines musikalischen Ablaufs wirksam werdende Rückläufigkeit des Notentextes bezeichnet. Diese auch als Krebs bezeichnete Technik steht als Symbol für Geburt – Leben – Tod – Unendlichkeit; sie führt die Musik wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Diese früher vornehmlich als Kontrapunkt gestaltete Form ist hier in meiner Komposition auf deutlich hörbare Klangstrukturen angewendet worden. Der Umkehrungsmittelpunkt liegt in einer längeren Flötenkadenz.

Der Tango irregulare op. 112 (1993) für Mundharmonika, Englischhorn, Viola, Bassklarinette und Schlagzeug ist ein kurzes, eingängiges, gleichwohl raffiniert gestaltetes Tanzstück mit deutlichen Anklängen an Unterhaltungsmusik. Für den Mundharmonika-Part konnte als Gast René Giessen gewonnen werden (eine Aufnahme des Stückes hat er bei Youtube veröffentlicht).

Wir bleiben bei ungewöhnlichen Besetzungen an der Schnittstelle zur Unterhaltungsmusik: Tim op. 116 (1994), Komposition für Rockband, für Saxophon, E-Gitarre, E-Bass, Keyboard und Schlagzeug. Klebe erzählte mir damals von der Anfrage einer Rockband (den Namen der Band weiß ich leider nicht mehr) und von dem Stück, das ich aber noch nie gehört habe. Tim ist Giselher Klebes Enkel.

Das Trio „Stufen“ op. 123 (1996) für Alt-Traversflöte, Violoncello und Klavier entstand 1997 für das „Trio mobile“ in Hamburg und wurde beim NDR uraufgeführt. Es ist bisher unveröffentlicht.

Den Abschluss des Konzerts bildet die posthume Uraufführung zweier kleiner Stücke für Flöte solo, geschrieben für Klebes Enkeltöchter: Capriccio op. 146 (2005) und “Für Maya” op. 148 (2007).

Klebe hat übrigens immer wieder seine Kinder, Enkel oder auch seine Nichte „Christinchen“ mit den Widmungen seiner Werke bedacht, z.B. bei dem Zyklus kleiner, kindergerechter Klavierstücke „Meine Enkelkinder und ich“ op. 140, bei „Wiegenlieder für Christinchen“ op. 13 oder eben hier bei „Tim“ und „Für Maya“.

Dieses Konzert stellt programmatisch eine wichtige Ergänzung zu den „ernsteren“ Konzerten des Festivals dar und zeigt Klebes enorme Bandbreite und die beeindruckende geistige Freiheit, mit der er sich in verschiedenste musikalische Welten einfühlen und sie sich zu seiner eigenen Musiksprache nutzbar machen konnte.

Klebe_100, Projekt zum 100. Geburtstag von Giselher Klebe an der Hochschule für Musik Detmold

Das Mädchen aus Domrémy, halbszenische Aufführung

22.11.2025, 10.30 Uhr, Konzerthaus Detmold

Obwohl Giselher Klebes Gesamtwerk so gut wie alle Gattungen und Besetzungen umfasst, ist er vor allem als Opernkomponist bekannt geworden. Er selbst bezeichnete diesen Bereich als „Zentrum“ seiner Arbeit, und noch in den 70er Jahren wurden seine Opern im In- und Ausland häufiger inszeniert und aufgeführt als z.B. die seines Zeitgenossen Hans Werner Henze. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sendete seinerzeit Produktionen bzw. Mitschnitte von neun Opern, die von seltenen Ausnahmen abgesehen seither gut verschlossen und praktisch unzugänglich in den Archiven schlummern (unsere Anfrage an das Deutsche Rundfunkarchiv, welche Klebe-Aufnahmen es überhaupt gibt, wurde mit der erstaunlichen Begründung, man sei für solche Anfragen nicht zuständig, abschlägig beantwortet. Man fragt sich, wofür das Archiv denn dann zuständig ist…).

Es war deshalb von vornherein klar, dass die Oper in unserem Festival zum 100. Geburtstag gewichtig vertreten sein sollte. Eine angedachte Kooperation mit dem Landestheater Detmold kam nicht zustande, weshalb als einzige Möglichkeit die Opernschule der Hochschule blieb. Die Schwierigkeiten eines solchen Projekts sind allerdings immens: Man benötigt für die meist vielen und zum Teil sehr anspruchsvollen Partien geeignete Sängerinnen und Sänger in den passenden Stimmfächern, das Hochschulorchester muss zur Verfügung stehen, Probenzeiten bzw. -räume müssen koordiniert werden, und die Sache kostet viel Geld. Eine Zeitlang habe ich deshalb die Idee verfolgt, einen „szenischen Abend“ mit ausgewählten Szenen aus Klebes Opern ins Programm zu nehmen, die dann mit Klavierbegleitung gespielt werden sollten, und als absoluten Notfallplan hatte ich im Hinterkopf noch die Filmvorführung von Klebes letzter Oper „Chlestakows Wiederkehr“. Der neue Leiter unserer Opernschule Michael Dissmeier hatte dann aber eine weit bessere Idee:  Die Oper „Das Mädchen aus Domrémy“ op. 72 hat statt eines Orchesters die Besetzung vier Klaviere, Schlagzeug und Tonband, was bei größter Anstrengung für uns realisierbar wäre. Es wird deshalb am 22.11. eine gekürzte, halbszenische Aufführung dieser Oper geben, und zwar nicht wie ursprünglich geplant im Klavierauszug sondern im Original.

Die Oper basiert auf Schillers „Die Jungfrau von Orleans“; das Libretto, das vor allem bei der großartigen dramatisch zugespitzten Schlussszene von der Vorlage abweicht, schrieben Giselher und Lore Klebe gemeinsam. Über seine erklärtermaßen subjektive Interpretation der Titelfigur schrieb der Komponist: „Jeanne d’Arc ist für mich eine der wenigen Inkarnationen eines seinem Auftrag unbeirrt folgenden Wesens, das in seiner Reinheit und Einfachheit der allgemeinen Menschheitsgeschichte zum Opfer fällt. Wie Johanna aus einer einzigen tiefen Irritation zu einer überhöhten Festigkeit und Klarheit zurückfindet, um von dort aus über Tod und Vernichtung hinaus immer stärker zu wirken, dies sollte Symbol meiner Interpretation werden.“  Sein Fazit lautet: „Nicht der geschichtliche Aspekt, nicht stilistische Spekulationen, sondern allein die Konzentration auf den ewigen Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft bestimmte die Konzeption dieser Oper.“

Klebe_100, Projekt zum 100. Geburtstag von Giselher Klebe an der Hochschule für Musik Detmold

Musikwissenschaftliches Symposium

14.11.2025, ab 10 Uhr, Forum | Musikbibliothek

Flankierend zu den Konzerten des Festivals gibt es auch diverse Aktivitäten der Abteilung Musikwissenschaft der Hochschule für Musik Detmold bzw. der Universität Paderborn. Im Foyer des Konzerthauses wird am 24. Oktober eine Ausstellung über Giselher Klebe eröffnet, zu der in der Folgezeit auch geführte Rundgänge angeboten werden. Am 14.11. folgt ein ganztägiges musikwissenschaftliches Symposium unter der Leitung von Dr. Anna Ricke und Prof. Dr. Antje Tumat, das in die vier Blöcke „Klebe im Kontext“, „Werke für das Theater“ 1 und 2 sowie Podiumsdiskussion gegliedert ist. Den jeweils 20-minütigen Vorträgen schließt sich noch eine 10-minütige Diskussion an. Referenten werden sein:

  • Antje Tumat: Begrüßung und „Klebe und Henze“
  • Dominik Höink: Von Weihnachten und Amnesty International – Klebes Oratorien im Gattungskontext
  • Matthias Geuting (Essen): Klebes Orgelmusik
  • Brigitte Schäfer: Einführung in die Kompositionstechnik Klebes
  • Anna Ricke: Klebes „Räuber“
  • René Pauls: „Affekt und Ratio: Zu Giselher Klebes musikalischer Transformation von Kleists Amphitryon“
  • Melissa Maria Korbmacher: „Das Humanum der Kunst“ – Moral, Schuld und Verantwortung in Giselher Klebes musikdramatischen Werken
  • Felix Marzillier (Berlin): Zwischen Kunst und Vergangenheitspolitik. Giselher Klebes Schauspielmusik zu Die Frauen von Trachis (1959)
  • Luise Adler: Jeanne d’Arc als Symbol des „ewigen Konflikts zwischen Individuum und Gesellschaft“ in Giselher Klebes Oper Das Mädchen aus Domrémy op. 72
  • Andreas Münzmay: Marianne und Johanna. Giselher und Lore Klebes Opern Jacobowsky und der Oberst (nach Werfel, Hamburg 1965) und Das Mädchen aus Domrémy (nach Schiller, Stuttgart 1976) als politisches Theater im Kontext deutscher Vergangenheitsaufarbeitung

Christian Köhn