Programm Tasteninstrumente
16.11.2025, 11.30 Uhr, Konzerthaus Detmold
Das Klavierwerk zieht sich durch alle Phasen von Giselher Klebes Gesamtwerk, angefangen von der Sonate für zwei Klaviere op. 4 bis zu „Thema und 39 Variationen“ op. 142 für Klavier solo. Es ist der einzige Werkkomplex, der fast vollständig auf zwei CDs verfügbar ist (die bereits aufgenommenen drei Romanzen op. 43 passten lediglich nicht mehr auf die CD und sind hier kostenlos hörbar bzw. downloadbar).
Das Programm des Konzerts wird eingerahmt von zwei Stücken für Klavierduo: Der besagten Sonate für zwei Klaviere zu Beginn und „Glockentürme“ op. 103 für Klavier zu vier Hände am Ende des Konzerts, beides gespielt vom Klavierduo Silke-Thora Matthies/Christian Köhn. Die Sonate aus dem Jahr 1949 besteht aus zwei Sätzen, von denen der zweite seinerseits zwei kontrastierende Abschnitte in der Form ABA‘ gegeneinandersetzt. Der Tonfall des ersten Satzes ist spielerisch, tänzerisch und leicht, mit Anklängen an Unterhaltungsmusik und Jazz, die Harmonik schwebt schon bei diesem frühen Werk Klebe-typisch zwischen der Tonalität terzengeschichteter Akkorde und chromatischen Skalen bzw. Zwölftonreihen. Die ruhige Melodie des zweiten Satzes wird urplötzlich von einem wilden Zwölfton-Boogie-Woogie unterbrochen, woraufhin ebenso unvermittelt der variierte A-Teil wiederkehrt und leise ausklingt.
Die „Glockentürme“ op. 103 waren 1990 ursprünglich als heiteres „Carillon“ geplant. Während der Komposition erhielt Klebe die Nachricht vom Tod seines lebenslangen Freundes Luigi Nono. Tief erschüttert wandelte er Form und Ausdruck des bereits begonnenen Stückes zu einer drastischen Klage um den verstorbenen Freund. In seinem Werkkommentar betont Klebe, dass Struktur und Inhalt des einsätzigen Stückes „ohne Erklärung erfaßt“ werden können.
Die „Wiegenlieder für Christinchen“ op. 13 sind Klebes frühester veröffentlichter Klavierzyklus. In ihnen setzt er sich mit der Technik der variablen Metren seines Lehrers Boris Blacher auseinander und verbindet sie mit der Dodekaphonie. Die neun Stücke basieren auf einer gemeinsamen Allintervallreihe und sind in Brückenform angeordnet: 1 korrespondiert mit 9, 2 mit 8 usw. In späteren Jahren spottete Klebe selbst über diese Konstruktion und meinte „Wer weiß denn schon beim neunten Stück noch, wie das erste war?“. Als ich ihn nach dem vorangestellten Satz „Die Metronomzahlen sind streng verbindlich!“ fragte, schaute er kopfschüttelnd in die Noten und sagte „So einen Quatsch schreibt man nur, wenn man jung ist“. Die überwiegend zarten „Lieder“ (die Dynamik geht nie über mf hinaus) sind extrem vielfältig und reichen in ihrem Ausdruck von innigem Gesang bis zu fröhlichem Spiel. Zu hören sind sie hier von Elena Margolina-Hait.
Jacob Leuschner wird anschließend die drei lyrischen „Romanzen“ op. 43 spielen (siehe oben). Sie sind ein typisches Beispiel für den mittleren Klebe, bei dem der Ausdruck oft verhalten, noch ohne die zugespitzte Dramatik der späteren Werke wie z.B. der „Glockentürme“ war, bei denen aber fein abgestimmte Harmonien, Klangfarben und Melodien für eine breite Ausdrucksskala sorgen.
Klebes Orgelwerk wird in diesem Konzert durch die Passacaglia op. 56 vertreten, gespielt von Friedhelm Flamme. Das Stück entstand 1968 zur Einweihung der Orgel im „Konzertsaal der Nordwestdeutschen Musikakademie“, heute „Konzerthaus Detmold“, also für eben das Instrument auf dem es jetzt wieder erklingen wird. Klebe schrieb in seinem Werkkommentar: „Drei Teile gliedern die Passcaglia op. 56; eine Einleitung, die zum Thema hinführt, ohne es zu intonieren, der Hauptteil mit einer Zwölftonreiche als Basismodell der Variationen und ein Epilog, der die gewonnenen Gestalten gleichsam harmonisch einschmilzt. Die Variationen des Hauptteils gliedern sich in drei espressivo-Abschnitte, die jeweils nach forte-Aufschwüngen ins piano und pianissimo übergehen.“
Es folgt der Klavierzyklus „Zornige Lieder ohne Worte“ op. 118 von 1995, der im Gegensatz zu den „Wiegenliedern“ und den Romanzen von harten Kontrasten, dramatischem Zugriff bei bewusst reduzierten Mitteln geprägt ist. Klebes Streben nach Einfachheit und Klarheit lässt den Ausdruck umso persönlicher und schmerzvoller hervortreten. Die Titel der fünf Stücke lauten „Zorn“, „Verlassenheit“, „Trauer“, „Aufbegehren“ und „Kassiber“. Es spielt Alfredo Perl.
Mit den „Glockentürmen“ (siehe oben) endet das Konzert.
Christian Köhn