Klebe_100, Projekt zum 100. Geburtstag von Giselher Klebe an der Hochschule für Musik Detmold

Instrumentale Kammermusik

15.11.2025, 19.30 Uhr, Konzerthaus Detmold

Bei diesem Konzert steht ein Querschnitt durch Giselher Klebes umfangreiche und vielfältige instrumentale Kammermusik auf dem Programm. Die stilistische Bandbreite erstreckt sich dabei von den seriell geprägten früheren Werken op. 14 und op. 22 bis zur dramatischen Unmittelbarkeit von op. 84. Dazwischen liegt mit der „Veränderung“ von Beethovens Mondscheinsonate op. 27 Nr. 2 zur Sonate für Horn und Klavier Klebes (meines Wissens einzige) Bearbeitung eines vollständigen vorgegebenen Werkes.

Das Programm beginnt mit der ersten Sonate für Violine und Klavier op. 14 aus dem Jahr 1952, gespielt von Eckhard Fischer und Christian Köhn. Die Sonate besteht aus drei kurzen, ineinander übergehenden Sätzen und ist von einer zarten, lyrischen Schönheit. Die Dynamik bewegt sich (wie schon bei dem zuvor entstandenen Klavierzyklus „Wiegenlieder für Christinchen“ op. 13) fast ausschließlich vom dreifachen ppp bis zum mf, die zarten Kantilenen der Geige im letzten Satz liegen im obersten Register. Die streng zwölftönig organisierten Motivgruppen des Anfangs erfahren eine zunächst zögerliche, dann gefestigte Entwicklung und Verwandlung, die in den ausdrucksvollen Kantilenen des letzten Satzes ihr Ziel findet.

Es folgt „Der dunkle Gedanke“ für Klarinette alternierend mit Bassetthorn und Klavier op. 84, gespielt von Thomas Lindhorst und Christian Köhn. Die drei Sätze mit den Überschriften „Zorn“, „Trauer“ und „Dunkler Gesang“ schrieb Klebe 1979, die Uraufführung spielten Hans Dietrich Klaus und Michael Wessel-Terhorn ein Jahr später. Klebes Werkkommentar aus dem Programmheft der Uraufführung ist unverändert aktuell:
„„Der dunkle Gedanke“ (…) ist die musikalische Manifestation einer umfassenden und tiefen Enttäuschung. Sie begann mit der Erkenntnis zu reifen, daß der Mensch aus der Geschichte nicht zu lernen bereit ist. Die harte Wirklichkeit, daß große Teile des deutschen Volkes die bitteren Wahrheiten unserer Geschichte von 1933 – 1945 zu verdrängen und zu verleugnen suchen (…) kulminierte für mich zu einem umfassenden dunklen Gedankenbereich. Der ernste Wunsch, daß diese Komposition zu Einkehr und Nachdenken beitragen möge, ist Leitgedanke beim Komponieren gewesen.“

Die Musiksprache in diesem Werk ist einfach, direkt und ungeschönt. Am Schluss bleibt die Klarinette nach dem „dunklen Gesang“ auf einem einzigen, immer wieder wiederholten, klagenden Halbtonschritt quasi stehen, untermauert von absteigenden Klavierakkorden und heftigen Ausbrüchen, eine Stelle, die mich jedes Mal tief bewegt.

Die Umarbeitung von Beethovens „Mondscheinsonate“ zur Sonate für Horn und Klavier op. 96 aus dem Jahre 1986 ist nach Klebes Worten als „Zeichen der Verehrung, eine Hommage à Beethoven“ zu verstehen, einer Verehrung, die im Laufe seines Lebens nicht immer ungebrochen war (wie übrigens auch die zu Bach), und die, wie er mir selbst erzählte, erst mit der Arbeit an diesem Werk wieder stabil wurde. Obwohl seine Umarbeitung alle musikalischen Parameter Melodie, Rhythmus, Metrum, Harmonie, Form und Klang umfasst, ist das Original jederzeit präsent und steht in einem ausdrucksstarken, oft überraschenden Spannungsverhältnis zur Neuform. Dieses Werk gehört zu den wenigen, die man auch auf CD hören kann: Vor wenigen Jahren haben Přemysl Vojta und Tobias Koch es sehr schön eingespielt. Bei unserem Konzert wird es von Anton Koch (nicht verwandt oder verschwägert mit Tobias) und dem Beethoven-Spezialisten Alfredo Perl gespielt.

Die Harfe war eines von Giselher Klebes Lieblingsinstrumenten, er setzte außer im Orchester bei diversen Kammermusikstücken und vor allem als Soloinstrument bei seinem Harfenkonzert op. 96 ein, erhielt u.a. den Kompositionspreis des Welt-Harfen-Kongresses in Kerkrade (Holland) 1978 und war Ehrenmitglied des Weltharfenzentrums Rockville. Bei unserem Konzert spielt Godelieve Schrama „Alborada“ op. 77 für Harfe solo.  

Eine vollkommen andere und ungewöhnliche „Kammermusikbesetzung“ folgt mit den Variationen über ein Thema von Berlioz für Orgel und drei Schlagzeuger, op. 59. Friedhelm Flamme und Schlagzeuger von „HfM Percussion“ (Leitung Peter Prommel) spielen das Werk aus dem Jahre 1970. Das Thema ist die Hirtenszene (dritter Satz) aus Berlioz‘ Symphonie fantastique, ein Komponist, den Klebe sehr schätzte und dessen Instrumentationslehre „Grand Traité d’instrumentation et d’orchestration modernes“ er quasi auswendig kannte.

Eine der anspruchvollsten Aufgaben des Festivals haben danach Eckhard Fischer (Violine), Alexander Gebert (Violoncello) und Rinko Hama mit dem komplexen Klavertrio „Elegia appassionata“ op. 22. Der seriellen Organisation von Intervallen, Rhythmus, Dynamik und Klangfarben steht eine unmittelbar erfahrbare, breite Ausdrucksskala von „leidenschaftlichen und zärtlichen Empfindungen“ (Klebe) gegenüber. Dieses Maß an serieller Organisation hat Klebe danach nicht mehr angestrebt bzw. verwirklicht, weshalb dieses Werk im Gesamtprogramm einen wichtigen Meilenstein darstellt.

Mit den vier Bagatellen für Bassetthorn, Posaune, Harfe und Röhrenglocken, op. 35 klingt das Konzert eher gelöst und spielerisch aus.  Das Stück entstand 1960 und wird bei uns gespielt von Aloisa Hurt (Bassetthorn), Kevin Klein (Posaune), Godelieve Schrama (Harfe) und HfM Percussion (Röhrenglocken).

Christian Köhn

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