Welche Funktion ein Dreiklang einnimmt, ob er also Tonika, Subdominante oder Dominante ist, kann nur im Kadenzzusammenhang bestimmt werden. Das folgende Beispiel zeigt denselben Akkord in allen drei Funktionen:
Durch Hinzufügen eines charakteristischen dissonanten Tones kann die Funktion eines Dreiklangs auch ohne Kadenzzusammenhang eindeutig bestimmbar werden. Dieser Ton heißt deshalb "Charakteristische Dissonanz".
Die wichtigste charakteristische Dissonanz ist die zu einem Dur-Dreiklang hinzugefügte kleine Sept. Sie hat melodisch eine starke halbtönige Abwärtstendenz, was zusammen mit der Aufwärtstendenz der Terz eine deutliche Dominantspannung ergibt: Der Dreiklang bekommt durch die Sept Dominant-Funktion. Das Funktionssymbol für den Akkord ist ein D mit hochgestellter 7.
Der Dominantseptimakkord erscheint häufiger in seinen
Umkehrungen, weil bei strenger Auflösung der
Grundstellung die folgende Tonika ohne Quint wäre: Die
Sept strebt abwärts zur Tonika-Terz, Grundton, Terz und
Quint, streben sämtlich zum Tonika-Grundton. Liegt der
Grundton hingegen nicht im Bass, kann er bleiben und wird
dann zur Tonika-Quint:
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Häufig fehlt der Grundton des Dominantseptakkordes ganz, man spricht dann von einem "verkürzten" D7. Das Funktionssymbol ist ein durchgestrichenes D mit hochgestellter 7. Dieser Akkord entspricht dem Stufendreiklang auf der siebten Stufe der Durtonleiter (verminderter Dreiklang). Im vierstimmigen Satz erscheint er mit verdoppelter Quint:
Die Auflösungsspannung eines Dominantseptakkordes kann durch die Hinzufügung einer zusätzlichen großen oder kleinen None noch gesteigert werden. Die None tendiert abwärts zur Tonika-Quint:
Im vierstimmigen Satz erscheint der Akkord (Funktionssymbol D mit hochgestellter 9) meist ohne Quint oder verkürzt, also ohne Grundton:
Weil Septim und None über der fünften Stufe
gleichzeitig Grundton und Terz über der vierten sind,
vermischen sich im Dominantseptnonenakkkord Dominante und
Subdominante.
Eine Besonderheit stellt der verkürzte Dominantseptnonenakkord mit kleiner None - kurz "verminderter Septakkord" (Funktionssymbol Dv), dar: Er besteht aus drei übereinandergeschichteten kleinen Terzen, und kehrt sich scheinbar in sich selbst um. Nur im Notenbild ist die terzengeschichtete Grundstellung von ihren Umkehrungen zu unterscheiden, klanglich wird durch enharmonische Verwechslung die übermäßige Sekund mit der kleinen Terz gleichgesetzt, so dass alle Umkehrungen gleich klingen:
Der Akkord eignet sich daher für vielfältige Modulationen in entfernte
Tonarten und ist wohl nicht zuletzt deshalb einer der
beliebtesten Dreiklänge der Spätromantik.
Das folgende Noten- und Klangbeispiel zeigt, wie ein
einziger Dv durch enharmonische Verwechslung in
nicht weniger als acht verschiedene Tonika-Dreiklänge
aufgelöst werden kann:
So wie jeder (Dur-) Dreiklang durch Hinzufügung der
charakteristischen Dissonanz einer kleinen Septim
Dominant-Funktion bekommt, so wird jeder (Dur- oder Moll-)
Dreiklang durch eine hinzugefügte großte Sext zur
Subdominante (Funktionszeichen S bzw. s, mit hochgestellter 5
und 6). Die erste theoretische Beschreibung dieses Vorgangs
stammt von J. Ph. Rameau, weshalb die hinzugefügte Sext
meist französisch als "sixte ajoutée" bezeichnet
wird. Durch die Sext wird die Verbindung zwischen
Subdominante und Dominante sehr viel enger, weil beide nun
einen gemeinsamen Ton haben: Die Sext der Subdominante wird
zur Quint der Dominante. Im vierstimmigen Satz liegt die
sixte ajoutée an der Stelle des sonst verdoppelten
Grundtons:
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Statt zum Dreiklang hingefügt zu werden, kann die Sext auch die Quint ersetzen ("Subdominantsextakkord", Funktionssymbol S bzw. s, mit hochgestellter 6). Im vierstimmigen Satz wird der Grundton verdoppelt:
In Moll kann dieser Akkord auch mit kleiner Sext auftreten und heißt dann "neapolitanischer Sextakkord" oder kurz "Neapolitaner":
Da der Neapolitaner ohne den Kadenzzusammenhang der
Umkehrung eines Durdreiklangs über der kleinen Sekund
des Tonika-Grundtons entspricht (im obigen Beispiel Des-Dur
in c-Moll), eignet er sich gut zur chromatischen Modulation:
Im obigen Beispiel wird zunächst über eine umgekehrte Kadenz der Neapolitaner der Ausgangs-Tonika c-moll erreicht. Dieser wird dann umgedeutet als Tonika Des-Dur mit Terz im Bass, was durch die folgende sixte ajoutée, also Ges-Dur mit hinzugefügtem es verdeutlicht wird. Von da aus wird die Kadenz einfach über die Dominante As-Dur zu Ende geführt.
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